Aktuelles aus Vilsbiburg

Haushaltsrede der Fraktion bul/Die Grünen im Vilsbiburger Stadtreat 2022

16.01.23 –

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,  

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben wieder ein Krisenjahr hinter uns, aber doch ist unser Haushalt für das kommende Jahr auskömmlich und solide. Wir machen keine neuen Schulden und können trotzdem alles finanzieren.

Aber wir haben alle Rücklagen aufgebraucht und bilden auch keine neuen. Die großen Vorhaben im nächsten Haushaltsjahr belasten uns aber noch nicht zu sehr, es sind ja vor allem noch Planungskosten.

Wir wissen aber, dass die großen Ausgaben in den folgenden Jahren kommen werden und hierfür sind wir schlecht gerüstet. Das heißt, wenn die großen Rechnungen für die Generalsanierung der Vilstalhalle, den Neubau der Grundschule, den Um- und Anbau der  Musikschule im Haslbeckgebäude zu begleichen sind, haben wir trotz großzügiger Förderung kein Geld mehr.

In den Diskussionen heißt es oft: „Wir müssen doch in die Zukunft denken“

Das würde ich mir wünschen, wenn ich an die zukünftigen Ausgaben im Haushalt denke.

Statt dessen haben wir dem Staatlichen Bauamt am 2. Mai dieses Jahres den Blankoscheck für das sogenannte halbe Kleeblatt bestätigt, wohl wissend, dass die Planungen von 2019 (1. Beschluss des SR am 6.5.2019) mit prognostizierten Kosten von ca. 4,5 Mio Euro für die Stadt Vilsbiburg bei weitem nicht zu halten sein werden.
Das Geld sitzt uns anscheinend so locker oder wir haben nicht genug Selbstbewusstsein, dass wir das Straßenbauamt dazu bewegt hätten, die Anbindung unseres Gewerbegebiets in unserem Interesse ernsthaft alternativ zu planen. Das Interesse des Bundesstraßenbaus ist klar, sie wollen einen kreuzungsfreien Durchschuss der B 299 an Vilsbiburg vorbei, auch wenn bald danach am Kreuzungsbauwerk Achldorf wieder gestoppt werden muss. Aber was bedeutet das für uns? In der Folge wird uns das Geld, das wahrscheinlich ab 2024 fällig wird, noch bitter fehlen.

Da gibt es anscheinend in unserem Stadtrat unterschiedliche Vorstellungen von einer guten Zukunft.

Die finanziellen Herausforderungen, die wir konkret vor uns sehen sind das eine. Eine weit größere Herausforderung ist aber nicht so klar auszumachen und wird auch nicht von allen von uns wirklich in ihrem Ausmaß gesehen. Es ist der Klimawandel mit seinen Auswirkungen und die damit verbundenen Aufgaben Energiewende, das Umdenken im Umgang mit Flächen und die Verkehrswende. Es mag ja bei vielen immer noch der Eindruck bestehen, dass es doch alles nicht so schlimm ist, wir in Vilsbiburg keine nennenswerten Probleme damit haben, wir mit kleinen Korrekturen so weitermachen können.

Ja, wir sind Klimakommune und machen was für Radverkehr und für erneuerbare Energien. Die Konsequenz, die dieser Mammutaufgabe gerecht werden würde, fehlt uns aber.

Wir warten geduldig auf eine Förderzusage, warten auf ein Büro, warten auf das dann zu entwickelnde Klimaschutzkonzept.

Wir verlieren wertvolle Zeit und wüssten doch eigentlich, was zu tun ist.

Der letzte heiße Sommer hat uns allen zugesetzt, aber trotzdem haben wir in unserem neuen Haushalt keinen Posten für die Klimafolgenanpassung. Es werden zum Beispiel keine richtig schattenspendenden Bäume in der Innenstadt geplant.

Die Ursachen für die jetzige Energiekrise bewegen uns alle tief, ein Krieg in Europa. Niemand hat damit und mit dem folgenden Energieembargo gerechnet.

Aber wir dürfen nicht übersehen, dass wir schon vor dem Februar 2022 eine Energiekrise hatten. Alle Wissenschaftler und die meisten Ökonomen haben seit Jahrzehnten davor gewarnt, weiter auf die vermeintlich wirtschaftlicheren fossilen Energieträger zu setzen. Wirtschaftlich waren sie noch nie, weil die Kosten für das Klima schon immer viel zu hoch waren.

Wie in der Landespolitik fehlt uns hier die Konsequenz, dieses große Problem wirklich in allen Bereichen schnell anzugehen.

Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir eigene Stadtwerke haben, die eine sehr gute Arbeit machen und die uns zum Beispiel durch ihre vorausschauende Einkaufspolitik vor allzu hohen Strompreiserhöhungen bewahrt haben.

Wir können in Vilsbiburg das machen, um was uns die anderen 34 Gemeinden im Landkreis wahrscheinlich beneiden, wir können eine eigene Energiepolitik machen. Das ist heute eine große Chance, die auch sehr innovativ genutzt wird. Ich denke da an die PV-Anlage mit Speicher für die Pumpen.

Wir könnten diese Chance aber noch konsequenter nutzen.

Musste es wirklich erst einen Krieg und eine massive Energieknappheit geben, um die aktuellen positiven Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur Energieeffizienz auf den Weg zu bringen?

Wir freuen uns, dass die Straßenbeleuchtung jetzt zügig auf LED umgestellt wird. Unsere Fraktion hat in den letzten Jahren dafür jeweils schon Haushaltsanträge gestellt (z.B. 2016 und 2019).

Wir freuen uns, dass jetzt auf den Energieverbrauch der Liegenschaften geschaut wird, dass anscheinend endlich bei der Nahwärme von Gas auf Hackschnitzel umgestellt wird.

Wir freuen uns, dass städtische Gebäude weg vom Gas kommen sollen.

Aber: Warum erst jetzt? Konsequent wäre es gewesen, das aus Klimaschutzgründen zu machen, sobald es möglich war.

Wo sind die Photovoltaik-Anlagen auf möglichst allen städtischen Dächern?

Was muss eigentlich noch passieren, um erneuerbare Energie schnellstmöglich auf den Weg zu bringen? Stattdessen diskutieren wir jahrelang über PV-Flächen, um sie dann wie in Gaindorf sogar abzulehnen.

Leider geht es sogar jetzt vielleicht so weiter mit der Inkonsequenz.

Die Vilstalhalle wird mit großem Aufwand generalsaniert, aber immer ist noch nicht ganz sicher, ob eine PV-Anlage auf das Dach kommt. In der vorgestellten Planung und Finanzierung ist sie bis jetzt noch nicht drin.

Es wird geprüft und gerechnet, um dann vielleicht wie bei der Generalsanierung der Mittelschule zu erfahren, dass es leider nicht geht, sich auch nicht rechnet.

In der energetisch sanierten Mittelschule haben wir jetzt einen Stromverbrauch von 168.000 KWh im Jahr, was im Vergleich zu anderen Schulen, auch nicht sanierten, exorbitant hoch ist. Da hätte man doch mit einer eigenen Stromproduktion auf dem Dach einiges sparen können. Aber leider war das damals aus technischen Gründen nicht möglich. Da fällt mir der bekannte Kalenderspruch ein: „Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe“

Wir werden in Zukunft alle Bauten ablehnen, die nicht zukunftsfähig geplant werden.

Der Autoverkehr ist der schärfste Antreiber der Klimakrise in Bayern. 34 Mio Tonnen CO2 haben Fahrzeuge mit fossilem Sprit 2019 in die Atmosphäre geblasen und wir sind heute wieder auf Vor-Corona-Niveau. Das sind 40 % des Treibhausgas-Ausstoßes in Bayern. Ohne richtige Verkehrswende wird das Ziel der Klimaneutralität auf keinen Fall erreicht werden können. Der Verkehrsforscher Harald Kiepke sagt deutlich: „Wenn wir die Klimaziele ernst nehmen, müssten wir richtig viel Autoverkehr einsparen und auf andere Verkehrsträger verlagern.“

Und das gilt auch für uns in Vilsbiburg. Auch für uns ist die Verkehrswende ein Muss. Und damit ist nicht nur gemeint, ein paar Elektroautos anzuschaffen und die dazugehörige Ladeinfrastruktur.

Wir planen noch große Investitionen für den motorisierten Verkehr: das schon angesprochene halbe Kleeblatt für 4,5 Mio Euro und die Nord-Ost-Umgehung. Das ist vollkommen aus der Zeit gefallen.

Es gilt eher den Anteil des Radverkehrs zu vergrößern, wie das der Radverkehrsplan vom April 2021 aus dem Bundesverkehrsministerium vorgibt. Dort wird eine Zielgröße von 30 € pro Einwohner vorgesehen, die pro Jahr in die Radinfrastruktur investiert werden soll. Für Vilsbiburg wären das im Haushalt 2023 360.000 €, also weit mehr als wir in unserem Haushaltsantrag gefordert haben und mehr als jetzt schon verplant ist.

Gut, dass wir die Radweg-Lücke am Schwimmbad nach unserem Haushaltsantrag von 2019 jetzt schließen, aber es ist erst der Anfang, wenn man die Verkehrswende konsequent angehen will.

Gut, dass es jetzt auch für Fahrräder eine Stellplatzsatzung für Mehrfamilienhäuser gibt. Niemand fährt mit dem Rad, wenn er es dafür aus dem Kellerabteil tragen muss.

Wir wollen 138.000 € für die Asphaltierung zu einem einzelnen Anwesen ausgeben, können uns aber nicht vorstellen, dass wir 2023 mehr als 40.000 € für neu geplante Vorhaben brauchen könnten, um Radfahren in Vilsbiburg sicherer und attraktiver zu machen.

Der neue Verkehrsverbund LAVV wird uns hoffentlich Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr bringen, ob integriert in den MVV oder in einem eigenen Verkehrsverbund mit den östlichen Landkreisen.

Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass es manchmal nicht leicht ist, eine menschenfreundliche Verkehrspolitik zu machen. Tempo 30 in der Lichtenburger Straße, Tempo 30 vor dem Kindergarten St. Martin und eine Fußgängerquerung auch für die Grundschulkinder in der Frontenhausener Straße – die zuständige Verkehrsbehörde im Landratsamt torpedierte unsere Pläne und zweimal musste der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags eingeschaltet werden, um unsere Vorhaben zu realisieren. Wir müssen als Stadt Vilsbiburg selbstbewusster für unsere Pläne eintreten. Wie man sieht, lohnt sich hier Konsequenz und Hartnäckigkeit.

Im vergangenen Jahr sind auch viele gute Projekte auf den Weg gebracht worden, Projekte, die die Attraktivität und die Lebensqualität in Vilsbiburg steigern. Wir sparen graue Energie und reißen das historische Haslbeck-Wirtshaus nicht ab. Mit Kultur und Musik erwecken wir es wieder zum Leben.

Der idyllische Balkspitz ist aufgewertet und gut mit der neuen Brücke zu erreichen.

Die engagierten BürgerInnen des Klimatischs können ihre Vorschläge einbringen und

werden gehört. Wir haben das Beauftragten-Wesen installiert und sind die einzige Gemeinde im Landkreis, die jetzt ein Jugendgremium hat.

Wir begrüßen es auch sehr, wie wichtige Entscheidungen vorbereitet werden: Bürgermeisterin Entwistle organisierte die Besichtigungen der modernsten Grundschule Niederbayerns und von zukunftsweisenden Baugebieten.

Vilsbiburg ist in vielen Bereichen auf einem guten Weg, aber auf manchen Gebieten sind wir zu langsam und zu inkonsequent.

Ich sage das Gleiche wie in den letzten Jahren: wir Grüne sind fordernd im Stadtrat und das wird nicht immer mit Begeisterung aufgenommen. Aber wir sehen unsere Aufgabe darin, in die Zukunft zu denken und anzumahnen, dass ein „Weiterso“ nicht die passende Antwort auf Zukunftsfragen ist.

In diesem Haushalt ist noch kein Posten für das halbe Kleeblatt enthalten. Deshalb stimmen wir dem Haushalt 2023 zu.

Wir danken Bürgermeisterin Entwistle und allen Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat für die gute Atmosphäre in den Sitzungen - bei doch oft unterschiedlichen Ansichten, den Menschen in der Verwaltung für die Hilfe und Unterstützung bei unseren Fragen und Anliegen. Hier wollen wir auch unserer Kämmerin Frau Eggl danken für die qualifizierte Aufstellung des Haushalts und die geduldige Beantwortung unserer vielen Fragen.

Besonders würdigen möchten wir heute auch alle Menschen in Vilsbiburg, die sich ehrenamtlich engagieren und dadurch zu unser aller Sicherheit und Lebensqualität beitragen.

Wir wünschen Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest, ein glückliches, gesundes und vor allem friedliches Jahr 2023 und jetzt erst einmal ein paar ruhige Tage mit lieben Menschen.  

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