Bundestrojaner: 30.000 Screenshots für QuellenTKÜ

12.10.11 –

Innenminister Herrmann und das LKA wurde ertappt. Es steht noch aus, dass auch weitere Innenminister mit dem Bundestrojaner konfrontiert werden, so ist momentan zu lesen, dass auch Schleswig-Holstein Bundestrojaner beherbergte. Jetzt schon kann jedoch der Auftritt zu Innenminister Herrmann näher beleuchtet werden.

In der Pressemitteilung Nr. 385/11 läßt Herrmann verlautbaren: "Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung 2008 ist eine Quellen-TKÜ zulässig, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird. Nichts anderes ist in Bayern bisher praktiziert worden.".

Im wesentlichen sind seinen weiteren Aussagen, die seit gestern veröffentlicht wurden mit diesen Aussagen identisch. Da es sich hier um einen unerhörten Vorwurf handelt, der das Vertrauen in Legitimität und Wirksamkeit in Zweifel zu ziehen geeignet ist, weil es sich um ein Vorgehen handelt, das mit dem Grundgesetz, auf dessen Basis all unser Wohlstand, unser Rechtsstaat und unser Leben fußt, nicht in Einklang zu bringen ist, und weil der Verdacht genährt wird, dass es dem Innenministerium offenbar egal war, was das Bundesverfassungsgericht im Februar 2008 beschlossen hat, lohnt es sich dies anhand der Aussagen Herrmanns näher zu beleuchten.

Beginnend mit dem ersten Satz räumt Herrmann bereits ein, dass sich einen Quellen-TKÜ auf einen laufenden Telekommunikationsvorgang beschränken muss und  dies durch technische und rechtliche Vorgaben sicher gestellt sein muss. Bereits hier beginnt das Trauerspiel, denn bereits dies ist nicht einmal ansatzweise gegeben gewesen. Auf eine schriftliche Anfrage durch Susanna Tausendfreund vom 17. Februar wurde die Antwort erteilt, dass in vier weiteren Fällen Screenshots erstellt wurden. Noch einmal zur Wiederholung: Die Quellen-TKÜ muss sich auf einen laufenden Telekommunikationsvorgang beschränken; es wurden einmal 29.589, einmal  13.558 Screenshots im Jahr 2009 und im Jahr 2010 einmal  12.174, und bei der anderen Überwachungsmaßnahme, die zum Zeitpunkt der Antworterstellung bereits 11.745 Screenshots angefertigt. Wie ebenfalls aus der schriftlichen Anfrage von Tausendfreund hervorgeht, werden die Screenshots im Abstand von 30 Sekunden erstellt, und damit kann sich jeder der des Einmal-Einses mächtig ist bereits ausrechnen, dass hier ganz offensichtlich mitnichten nur die Telekommunikationsvorgänge überwacht wurden.

Auch der zweite Teil des Zitates von Herrmann ist in keiner Weise erfüllt: Wie ja der CCC bereits in seiner Presseerklärung vom 08.10. erwähnt hat, war keiner der gefundenen Trojaner in seinem Funktionsumfang beschränkt, sondern viel mehr im Gegenteil: Die Software wäre auch in der Lage sogar Beweise auf den Zielrechnern zu hinterlegen. Ebenso wäre eine Raumüberwachung damit möglich gewesen. Eine technische Sperre existierte hier offenbar nicht. Wie Herrmann damit zu dem Schluss kommt "Nichts anderes ist in Bayern praktiziert worden" ist in nicht nachvollziehbar. Entweder er versucht hier direkt die Öffentlichkeit in die Irre zu führen, oder er hat den Sachverhalt nicht verstanden. In beiden Fällen wäre ein Rücktritt von seinem Ministeramt durchaus angebracht.

Die Pressemitteilung erkennt ferner an, dass eine Quellen-TKÜ "eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme zur Strafverfolgung im Kampf gegen schwere Verbrechen ist". Hierzu schreibt das BVG in seinem Urteil: "Angesichts der Schwere des Eingriffs ist die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen."

Daher lohnt auch ein Blick auf die Vergehen, welche mit dieser Maßnahme aufzuklären versucht wurden. Dies beantwortet das Staatsministerium für Justiz und für Verbraucherschutz auf eine weitere Anfrage von Tausendfreund; in einem Fall wurde eine Gruppe untersucht, die angeblich einen betrügerischen Webshop aufgebaut hatten, in einem anderen bestand der Verdacht, die Zielperson würde versuchen Doping-Mittel in Umlauf zu bringen und drei Beschuldigte wurden verdächtigt Diebesgut (Kleidung und Drogerieartikel) ins Ausland  gebracht zu haben.

Im Juraforum ist zum Terminus "Überragend wichtig" zu lesen: "Überragend wichtig sind danach Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt." Keine dieser Taten dürfte dieser Definition auch nur Ansatzweise genügen.

Da Innenminister Herrmann hier ganz offenbar nicht die Verantwortung für die in seinem Ministerium getätigten Maßnahmen übernehmen möchte, sondern lediglich versucht die Schwere des Sachverhaltes abzuwiegeln, jedoch gleichzeitig in seiner Pressemitteilung Äußerungen trifft die nahelegen, dass er sich um die Bedeutung des Eingriffs bewußt ist, fordern wir ihn auf sein Amt niederzulegen. Hierbei handelt es sich nicht um verantwortungsvolle Politik im Sinne des Bürgers.

 

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